
Alpine A290 GTS – elektroschockverliebt (Kurztest)
11.10.2025
Für alle, die sich fragen, wie emotional E-Autos sein können, gibt es jetzt eine eindeutige Antwort und die lautet A290.
Wer noch immer behauptet, dass Elektroautos keine Emotionen wecken können, ist entweder noch gar keines gefahren oder zumindest das falsche. Nach tausenden elektrischen Kilometern freue ich mich immer noch riesig, wenn ich wieder einmal den Renault 5 meiner Frau fahren darf und stelle mir eher die Frage, wie viel Steigerung da noch drinnen ist. Mittlerweile bin ich auch schon Fahrzeuge mit über 500 PS gefahren, die doppelt so schnell beschleunigen wie der 150 PS starke Renault. Ich kenne jetzt auch praktischere, größere, kleinere, komfortablere, geländegängigere,… Autos, aber so viel Spaß wie der R5 macht kaum etwas.
Ein Auto, das es vielleicht könnte, wäre der Alpine A290, sozusagen die Sportversion des Renault 5.
Die Sportwagenmarke Alpine wurde 1952 von Jean Rèdélé gegründet, der damals drei Renault 4CV vulgo “Cremeschnittchen” (in Frankreich “Motte de Beurre”, also “Butterklumpen”) Alukarosserien verpasste. 1954 gewann er den Alpenpokal und baute ab dem Folgejahren Sportwagen mit Kunststoffkarosserie. Dabei griff er immer wieder auf unterschiedliche Art und Weise auf Renault-Teile zurück. In Anlehnung an das gewonnene Rennen und vielleicht auch, um der internationalen Kundschaft die Beschäftigung mit Accent grave und Accent acute zu ersparen, wählte er den Markennamen Alpine. Besonders legendär wurde das 1961-1977 gebaute Modell A110. In den 1970er-Jahren kaufte Renault die Marke Alpine. Zwischen 1976 und 1984 durfte Alpine den Renault 5 veredeln und war somit kurzzeitig die hauseigene Tuningschmiede von Renault, also das, was AMG für Mercedes-Benz und Abarth für FIAT ist. Später wurden im Alpine-Werk in Dieppe weitere Sportversionen von Renault-Modellen wie der Renault 5 Turbo, der Clio Williams, der Clio II und III RS, der Clio II V6 und der Mégane II RS gebaut, allerdings als Renault vertrieben. Auch der Renault Sport Spider wurde von Alpine gebaut. Seit 2017 wird mit dem Alpine A110 wieder ein Sportwagen unter eigenem Namen gebaut.
Mit dem A290 stellt Alpine seit 2024 das erste Elektroauto der Marke vor. Auch wenn dieses wie einst der Renault 5 Alpine ein aufgebrezelter Renault 5 ist, darf es unter dem Markennamen Alpine erscheinen.

Im Autohaus Kammerhofer, dem einzigen Alpine-Händler Niederösterreichs, durfte ich mir den Alpine A290 in der Spitzenversion mit 218 PS kurz ausborgen.
Die Grundkarosserie entspricht dem Renault 5, genauso süß, aber ein bisschen frecher und ein bisschen bulliger. Am auffälligsten sind natürlich die Zusatzscheinwerfer in X-Form. Diese findet man auch in den Hauptscheinwerfern wieder. Auch die Frontschürze ist etwas anders gestaltet.

Wie auf dem Foto ganz oben gut zu erkennen hat der Alpine A290 etwas andere “Hinterbacken” als der Renault 5, die wohl an die Lufteinlässe des legendären R5 Turbo mit Heckmotor erinnern sollen.
Das Heck ziert ein schmaler Spoiler auf Schulterhöhe. Der Dachspoiler ist ident mit jenem des Renault 5 und das ist gut und historisch richtig, denn Alpine war eigentlich nie die Marke der Monster-Spoiler.

Im Innenraum gibt es erst auf den zweiten Blick Unterschiede, wie der A290-Schriftzug auf der Beifahrerseite,…

die Knöpfe in der Mittelkonsole, die den “Ganghebel” hinter dem Lenkrad ersetzen und zwei weitere Knöpfe, die ich noch erklären werde. Natürlich ist auch die Graphik des Hauptdisplays anders, sowas ist ja technisch gar keine Hexerei.

Leider hat es bis zur Fahrzeugübergabe geregnet, wodurch die Fotos nicht so toll geworden sind, wie ich eigentlich gehofft habe. Aber dafür hab ich einen Grund, mir dieses Auto noch einmal auszuborgen. Der freundliche Verkäufer empfiehlt mir die Fahrt auf den Tulbinger Kogel. Hm, da muss ich mich kurz nach dem Regen wohl etwas zurückhalten.
Solange ich noch auf dem Firmengelände bin, merke ich wenige Unterschiede zum Renault 5. Doch jetzt geht es auf die Straße. Wumms, was für ein Unterschied! Der – für mich entbehrliche – Sound Generator heult leicht auf und das Fahrzeug beschleunigt mit ordentlich Wumms. Der Alpine beschleunigt zwar nur um 20% schneller als der R5, gefühlt aber doppelt so schnell.
Leider steht dann bei der Ampel in Königstetten ein Porsche vor mir. Dann bin ich aber froh, hinter dem schleichen zu müssen.
Ohne Vordermann geht es dann endlich die Bergstraße hinauf. Was für ein Gefühl. Das Auto klebt förmlich auf der – notabene noch regenfeuchten – Straße, mit dem fetten Lederlenkrad kann ich es exakt durch die Kurven manövrieren. Einziges Manko: Die Geschwindigkeitsbegrenzung, die hier zum Schutz der Radfahrer eingeführt wurde. Oben finde ich dann doch ein paar Nebenstraßen mit “normaler” 100er-Begrenzung. Das Herz hüpft vor Freude und ja, ich gebe es zu, auch meine Äuglein werden leicht feucht, während sich mein Kopf fragt, ob der wirklich keinen Allradantrieb hat. Noch Ende der 1990er-Jahre haben nicht wenige Ingenieure gemeint, mehr als 100, vielleicht 150 PS wären mit Frontantrieb nicht sinnvoll. Jetzt ziehen mich fast 220 PS in einem Kleinwagen sicher und präzise durch die Kurven, ohne Zerren, ohne Schieben. Einfach Fahrspaß pur!
Dazu trägt auch das Fahrwerk bei. Ich spüre, wie jedes einzelne Rad fest auf dem Boden aufsitzt und trotzdem versetzen mir die Federn kein einziges Mal einen Schlag ins Kreuz. So soll es sein und nicht anders!

Mit dem blauen Knopf kann ich die Rekuperation regulieren – so wie mit den Paddles im Renault 4. Nicht nur beim Bergabfahren eine große Hilfe, auch das Bremsen vor den Kurven muss dadurch nicht ganz so heftig ausfallen. One-Pedal-Driving ist jedoch nicht möglich – muss es auch nicht sein. Die rundum innenbelüfteten Scheiben stammen aus dem (modernen) A110 und packen ordentlich zu.
Im Ortsgebiet schalte ich dann auf den “Save”-Modus, wie der “Eco”-Modus bei Alpine genannt wird und fahre möglichst oft mit dem Tempomaten, denn auch in diesem Modus reagiert der Motor rasch auf jeden Druck auf das “Gas”-Pedal.

Auf der Umfahrungsstraße kommt es wie es kommen muss: Ein Traktorgespann tuckert vor mir. Jetzt darf der rote “OV”-Knopf zum Einsatz kommen. Drückt man diesen zusammen mit dem Gaspedal, bekommt man kurzzeitig die volle Beschleunigung geliefert. “OV” steht hierbei für “overtake”, also Überholen und um diesen Satz zu lesen brauchen sie wahrscheinlich länger, als ich für das Überholen des Traktorgespanns benötigt habe.
Das Soundsystem ist auch nicht von schlechten Eltern, allerdings von gerade erst volljährigen. Die Pariser Lautsprecherschmiede Devialet wurde nämlich erst 2007 gegründet.
Ansonsten könnte ich noch alles Mögliche andere erzählen, von der Alpine Telemetrics-Funktion und natürlich auch über alles zahlreiche Dinge, die es auch im Renault 5 gibt. Für alles hatte ich leider keine Zeit und ist hier kein Platz. Auf Verbrauch und Reichweite habe ich bei diesem Kurztest auch nicht geschaut. Der Fahrspaß ist aber definitiv jede Kilowattstunde wert und im Autohaus Kammerhofer sowieso aus der eigenen Photovoltaik bzw. aus einem aus alten Zoé-Akkus gebauten Speichercontainer geladen wird, brauchte ich auch weder der Umwelt noch dem Autohaus gegenüber ein schlechtes Gewissen haben.
Die Alpine A290 starten in Österreich derzeit (Herbst 2025) bei 38.400,- Euro (177 PS), ab 41.700 Euro gibt es die 218 PS. Vor der Fahrt denkt man, dass das viel Geld für einen Kleinwagen ist, danach denkt man, dass das eigentlich fast gar nix für so ein so viel Freude bereitendes Gefährt einer nicht alltäglichen Sportwagenmarke ist.
Fazit:
Eigentlich reichen drei Worte, um den Alpine A290 zu beschreiben: Geil, geil, geil!!! Ich bin jetzt elektroschockverliebt!
Der sportliche Ableger des Renault 5 verkörpert pure Emotion und enormen Fahrspaß mit unglaublich präzisem und sicherem Fahrverhalten. Ein absolut gelungener Hot Hatch, den man einfach einmal gefahren haben muss! Und wer weiß, wenn mein Sohn dann einmal größer ist und mein praktischer Kombi dann zu sein Festivalauto ist, vielleicht… Ach, lassen wir das! Aber ein bisschen darf man ja auch in der Lebensmitte noch träumen!
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