Leapmotor C10 – Elektrische Harmonie mit Kunstlederwüste
01.11.2025
Das SUV des chinesischen Stellantis-Joint-Ventures gefällt mit harmonischem Design und schockt mit knalligem Leder – aber wie fährt es sich?
Im Rahmen der Mobilitätsveranstaltung “Men’s World” durfte ich den Leapmotor einem kurzen Test unterziehen. Spontan und thematisch passend ging es zu den Umspannwerken Stratzdorf und Theiß.
Gleich vorweg die Frage: Was ist eigentlich Leapmotor? Nun, Leapmotor ist ein 2015 gegründetes chinesisches Unternehmen, das seit 2017 auch E-Autos baut. Bis Ende September 2025 waren es übrigens 1 Million Fahrzeuge. Seit Oktober 2023 gibt es ein Joint Venture mit Stellantis, entsprechend werden die Fahrzeuge in Österreich auch über das Stellantis-Händlernetz vertrieben, in Krems und Horn zum Beispiel über den FIAT-Händler, in St. Pölten und Zwettl über den Citroën-Händler, in Korneuburg über den Peugeot-Händler, es gibt also keine Bindung an eine spezifische Stellantis-Marke. Im Gegensatz zu den anderen Marken des Konzerns gibt es auch weder Badge-Engineering noch Technologietransfer. Wenn man so will ist Leapmotor die eigenständigste Marke unter dem riesigen Stellantis-Dach.
Das 4,74 m lange SUV gefällt mit einer sehr harmonischen und gefälligem Design. Hätte das Auto ovale Scheinwerfer, würde man sich glatt in die 1990er-Jahre zurückversetzt glauben.
Die schmalen LED-Leuchtenbänder zeigen uns aber dann doch sehr eindeutig, dass es sich hier um ein zukunftsträchtiges Fahrzeug und um kein Retromobil handelt. Trotzdem vielen Dank an Leapmotor, dass sie uns nach all den aggressiven Designeskapaden der letzten zweieinhalb Jahrzehnte zeigt, dass freundliches Auftreten im Automobildesign wieder Zukunft hat. Ich bin ja fast geneigt, den Markennamen Liebmotor auszusprechen.
Außen tritt der C10 (noch) in unauffälligen Farben auf. Zwischen Pearly White und Metallic Black gibt es noch zwei weitere Shades of Grey. Die aufpreisfreie Standardfarbe ist – man höre und staune und so man Jägerin oder Jäger ist freue man sich auch – Glazed Green, ein Dunkelgrünton!
So harmonisch und gefällig des Exterieur ist, so shocking ist das Interieur des Testwagens. Fast das gesamte Cockpit ist aus Silikonleder in der Farbe Cirillo Brown, ein Braunton, der mich an die Farbe des berühmten Bergs Uluru (Kolonialname Ayers Rock) in Australien erinnert. Sitze, Armaturenbrett, Seitenverkleidung, Armlehnen, alles in einem Ton! Nur der Lenkradbezug ist klassisch schwarz.
Immerhin ist das Material OEKOTEX-zertifiziert.
Die Passagiere im großzügig gestalteten Fond dürfen wenigstens auf schwarze Rückenlehnen blicken. Aber wahrscheinlich arbeiten im Werk in Hangzhou schon ein paar Ingenieure daran, zukünftig auch die beiden LED-Displays aus Silikonleder zu fertigen.
Alternativ gibt es übrigens auch eine “Midnight-Aurora”-farbene Silikonlederwüste zur Auswahl.
Das Glasdach ist übrigens aus Glas und lässt den Innenraum noch größer wirken.
Die Fahrt mit dem C10 gestaltet sich genauso harmonisch wie das Außendesign. Die wichtigsten Features findet man intuitiv, für das tiefere Erkunden des Menüs fehlte mir leider die Zeit. Die Kameras machen das Einparken zum Kinderspiel.
Mit 218 PS ist der liebe SUV durchaus sprintfreudig (7,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h) und liegt satt auf der Straße. Spitzensportler ist er naturgemäß keiner. Zu wenig Zeit hatte ich leider auch, um die umfassenden elektronischen Fahrassistenten auszuprobieren.
Im WLTP-Schnitt werden 18,5 kWh auf 100 Kilometern verbraucht, kein Spitzenwert, aber noch im “grünen Bereich”. Mit dem 69,9 kWh-Akku sind so 425 km Reichweite drinnen. Geladen wird mit maximal 84 kW, was für die Klasse leider enttäuschend wenig ist. Von 30% auf 80% soll der Akku somit in 30 Minuten kommen. Auf der Langstrecke sollte man also etwas längere Pausen einplanen als bei anderen Autos der Klasse.
Für die Länge ebenfalls etwas enttäuschend, aber wohl dem Heckantrieb geschuldet, ist der Kofferraum, der gerade einmal 435 Liter schluckt – weniger als ein 35 cm kürzerer Opel Frontera.
Der Blick auf die österreichische Preisliste relativiert dann einiges. Mit 37.000,- EUR wildert der C10 im Revier der (zumindest außen und im Fond) zum Teil wesentlich kleineren designorientierten Elektro-SUVs wie DS3, Opel Mokka, Jeep Avenger und so weiter, also Fahrzeugen, die eher als Zweitwagen gewählt werden. Im Vergleich zu diesen passt dann auch die Reichweite.
Fazit:
Auf den ersten Blick mag der C10 als reisetaugliche Familienkutsche erscheinen. Für seine Länge hat er aber zu wenig Kofferraum und für die Reichweite eine zu geringe Ladegeschwindigkeit.
Ach, mir tut es jetzt weh, so hart über dieses so freundlich dreinblickende Auto zu urteilen. Daher gibt es jetzt ein großes ABER! Dank seines Preises ist er nämlich eine gute Alternative mit viel Platz im Fonds zu den vielen hübschen Elektro-SUVs an der Grenze zwischen Kleinwagen- und Kompaktklasse. Durch die tollen Einkparkhilfen ist er auch kaum weniger stadttauglich.
Sie kennen ja die Geschichte mit dem halbvollen und dem halbleeren Glas. So ist es auch beim Leapmotor C10. Man kann ihn als Mittelklasse-SUV mit zu wenig Kofferraum und Reichweite sehen. Dann lässt man besser die Finger davon. Oder man kann ihn als übergroßen Klein-/Kompakt-SUV mit akzeptabler Reichweite und grandiosem Platzangebot auf der Rückbank sehen. Dann sollte man ihn unbedingt in die engere Wahl beim Autokauf ziehen.
Ach, lieber Leapmotor. Die kurze Fahrt mit Dir war echt schön und wer weiß. Auch mein Kind wird eines Tages erwachsen sein, vielleicht sieht man sich ja wieder!
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