Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Nissan Townstar Evalia – Himmel und Höllental

22.06.2025

Hochdachkombi mit Benzinmotor auf kurvigen Bergstraßen – kann das gutgehen?

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. So ergab sich für mich an diesem Wochenende spontan die Möglichkeit, einen Nissan Townstar zu testen und noch spontaner die Möglichkeit zu einem Verwandtschaftsbesuch in den Wiener Alpen.

Trotz Freude auf einen weiteren Test und noch größere Freude auf meine Verwandten und ein paar gemütliche Stunden im Garten direkt an der Schwarza kam ein mulmiges Gefühl auf. Hochdachkombi? Ja, cool und interessant, aber auf kurvigen Straßen? Benziner? Ich wollte mich ja bei meinen Tests eigentlich auf Elektrofahrzeuge beschränken. Und dann noch im Gebirge? Bei meiner Verwandtschaft konnte ich wenigstens sicher sein, dass das Treffen nicht wie im Song von RIAN zur Katastrophe wird, aber wird die Fahrt zur Katastrophe? Ich sehe mich schon mit Gaspedal auf Anschlag die Südautobahn hochröcheln und auf der Heimfahrt verfolgt von einer Schlange Zweirädern, Diesel- und Elektroautos durch die Kurven des Höllentals und der Kalten Kuchl heimschleichen.

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Bei der Übernahme in Wien (das Foto oben habe ich erst später gemacht) sehe ich erst einmal was anderes. Wow! Wow! Wow! Irgendwie hätte ich das anders erwartet. Natürlich wusste ich, was ein Townstar ist, auch wenn ich wahrscheinlich bisher seine Brüder Renault Express/Kangoo und Mercedes T-Klasse/Citan etwas öfter zu Gesicht bekommen hatte.

 

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Mein erstes “Wow!” gilt der Größe. Mit 4,91 m ist die “Evalia” oder ganz nüchtern “L2” genannte Langversion ganze 42 Zentimeter länger als die Kurzversion “Kombi” (“L1”) und 91 Zentimeter länger als die erste Generation, die damals allerdings noch Kubistar hieß. Die Generation dazwischen hieß übrigens NV250, nur der Vollständigkeit halber.

Der Townstar lächelt freundlich. Die fast schon comichafte Lustigkeit der ersten Generation liegt weit zurück und man müsste schon ein Hardcore-Hippie sein, um das tatsächlich zu betrauern. Auch in der Langversion ist der Townstar hübsch anzusehen und gehört zu den harmonischsten Erscheinungen, die es je in dieser Klasse gab.

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Das zweite “Wow!” gilt der Farbe, die auf den absolut nachvollziehbaren Namen “Terracotta” hört und übrigens die einzige “richtige Farbe” ist, die es für den Townstar gibt. Ansonsten gibt es nur Schwarz und Weiß und drei Grautöne dazwischen.

Was für eine Farbe! Jeder Versuch, dieses Auto im richtigen Licht ganz perfekt zu fotografieren, wird der Farbe nicht gerecht. Erst im Spiel mit Licht und Schatten kommt sie zur Geltung und entfaltet schließlich durch Spiegelung ihrer Umgebung ihr volles Potential.

Ganz tolle Spiegelungen, Licht- und Schattenspiele hat übrigens Tom Hausner eingefangen, ein Besuch seines Albums lohnt sich genauso wie das Lesen seines Berichts und wer die von ihm gemachten Fotos gerne selbst verwenden möchte, findet hier alle Kontaktdaten!

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Für das dritte “Wow!” darf ich mir ein paar Fotos von Tom leihen und das dritte “Wow!” gilt dem Innenraum. Nein, nicht, weil der groß ist, das darf man bei den Abmessungen schon erwarten, sondern wegen dem luxuriösen Ambiente, dass sich einem hier bietet. Da ist nämlich so gut wie gar nix mehr Nutzfahrzeug, stattdessen Klavierlack und Teilleder. Alles sitzt, alles passt, nix wackelt, nix dröhnt.

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Im Cockpit ist vieles aus anderen Konzernmodellen vertraut, vor allem die digitale Anzeige hat aber ihre individuelle Note. Auffällig und praktisch ist die stabile Smartphone-Halterung, die man sowohl links als auch rechts vom Lenkrad positionieren kann.

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Wie bei allen Gefährten aus dem Renault-Nissan-Konzern dürfen wir uns auch und besonders im Townstar über viele praktische Ablagen freuen, hoffen aber, dass es irgendwann eine KI-Funktion geben wird, die sich erinnert, in welches der vielen Fächer wir die Parkscheibe gegeben haben, bevor die grimmig dreinschauende Person von der Parkplatzüberwachung an die riesige Frontscheibe klopft.

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Von Design und Ambiente begeistert starte ich nun wesentlich optimistischer den Motor. Hallo? Ist da was? Ja, irgendwo da vorne vor meinen Füßen läuft da kaum hörbar etwas. Los geht’s und ich merke erstaunt, wie spritzig der Motor selbst im Eco-Modus ist. Wenn man nicht gerade voll auf’s Gaspedal drückt oder besonders steile Strecken fährt, hält sich der Motor mit seinen 130 PS dezent im Hintergrund. Überfordert fühlt sich der Motor bei normaler Beladung selten und wenn, dann gibt es ja noch den Performance-Modus.

Nach dem 1,5 Liter-Turbodiesel (den ich von über 100.000 Kilometern schon gut kenne) ist der 1,3-Liter-Turbobenziner der zweite und leider letzte Motor aus der Zusammenarbeit von Renault und Mercedes-Benz. Und genauso wie beim Diesel bin ich fasziniert, wie viel Laufruhe und Spritzigkeit die französischen und deutschen Ingenieure in dieses kleine Motörchen gepackt haben. Das zu schaffen ist für mich beeindruckender als noch ein paar PS mehr aus einem V8-Monster zu kitzeln.

Sehr angenehm auch das Siebengang-Doppelkupplungs-Automatikgetriebe. Besonders im Eco-Modus ist bei normaler Belastung von den Gangwechseln nichts zu merken.

Mit dieser Motor-Getriebe-Kombination geht es entspannt und stets mit ausreichend Kraft und einem akzeptablem Verbrauch über Südautobahn und Semmeringschnellstraße zum Ziel.

Dort stellt sich beim Ein- und Ausparken heraus, dass das Auto doch ein Riesentrumm ist. Mit fast 5 Metern Länge und einer riesigen Heckklappe benötigt der Townstar doch einiges an Parkraum. Schade, dass es die Klapptüren in der PKW-Version nicht mehr gibt! Beim Längsparken in der Stadt kann das echt zum Problem werden. Vielleicht hätte Nissan doch den Namen Kubistar behalten sollen!

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Nach dem wie immer viel zu kurzen Treffen soll es über Höllental und die Kalte Kuchl nach Hause gehen. Wie wird sich das Auto jetzt auf den bei Motorradfahrern beliebten kurvigen Strecken verhalten? Überholmöglichkeiten gibt es hier wenige, Fotopoints schon, allerdings sind die meisten verparkt oder nur mit Zweirädern oder zu Fuß benutzbar.

Schon nach wenigen Kurven merke ich: Die Strecke ist gar kein Problem für den Townstar! Noch ein paar Kurven und ich merke, dass das sogar richtig Spaß macht. Würde ich nicht so hoch sitzen, könnte ich glatt glauben, ich wäre in einem besser motorisierten Klein- oder Kompaktklassewagen unterwegs. Länge und Höhe des Fahrzeugs sind schnell vergessen. Links und rechts hohe Berge, neben mir die Schwarza und eine einsame Straße – was gibt es schöneres!

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Wenn das Tal dann breiter wird und die Kurven weiter werden, wenn man dann endlich wieder den strahlend blauen Himmel und das grüne Gras sieht, ist auch der Blick auf den Tacho vergessen und ich werde durch unbarmherzigens Piepsen daran erinnert, wenn ich das Tempolimit überschreite.

Auf der Straße von der Kalten Kuchl in Richtung St. Pölten wird es mir zu viel. Jetzt muss ich das machen, was ich sonst fast nie mache, nämlich den Geschwindigkeitsbegrenzer verwenden. Zwischen dem beliebten Motorradtreffpunkt und Kleinzell schaffe ich es sonst nicht, mich an die 70 km/h-Begrenzung zu halten. Der Townstar macht Spaß, will mehr und kann mehr.

Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental
Nissan Townstar Evalia - Himmel und Höllental

Schließlich in meiner Heimatstadt Krems angekommen noch ein kleiner Test. Einmal den Göttweiger Sattel rauf und dann zum Stift Göttweig. Auch das kein Problem.

Auf dem Parkplatz des Trailwerk Wachau, wie die Mountainbike-Trailarea auf dem Stiftsberg genannt wird,  drehe ich um und fahre nach Hause.

 

FAZIT:

Alle Bedenken haben sich nicht nur als unbegründet herausgestellt, das Auto wurde nicht zum lahmen Verkehrshindernis, sondern hat sogar richtig Spaß gemacht.

Bei der nächsten Fahrt in die Wiener Alpen würde ich den Nissan Townstar glatt wieder nehmen! Nur würde ich dann die Mountainbikes mitnehmen, um auch Plätze ohne Parkmöglichkeit erkunden zu können. Oder wir packen dann vor Ort die Verwandtschaft ein und fahren zu siebt in der Gegend rum. Oder ich bin ganz mutig und nehme ein Boot mit, damit wir auf der Salza paddeln können. Aber die ist ja so kalt. Aber eine Matratze könnten wir mitnehmen und dann im Auto übernachten. Übrigens schade, dass es kein Panoramadach gibt. Oder wir packen überhaupt unser ganzes Gewand ein und fahren dann durch ganz Europa und ich mach halt zwischendurch den Wald zum Home-Office. Oder…