
Opel Grandland – Wiederwahl in den Senat
14.06.2025
Mit dem neuen Grandland ist Opel wieder zurück bei den alten Werten – und bietet eine überraschend interessante Alternative für Familien.
Als Opel 2017 nach vielen Troubles und einer gescheiterten Ehe mit FIAT von der Groupe PSA (Peugeot Citroën) übernommen wurde, sahen viele das Ende der Marke mit dem Blitz kommen. Heute ist Opel Teil von Stellantis und dadurch auch eine Schwester der Ex-Frau FIAT und die Übernahme kann durchaus als Rettung gesehen werden. Zeit, einmal einen modernen Opel näher unter die Lupe zu nehmen. Das Autohaus Teuschl in Krems, das seit vor ein paar Jahren den Vertrieb in der Wachaumetropole übernommen hat, hat mir dafür dankenswerter Weise das Spitzenmodell, den Grandland mit Elektroantrieb zur Verfügung gestellt.

Stattlich steht er da, der Grandland der zweiten Generation. Obwohl gerade einmal 8 Millimeter (!) länger als der derzeitige Astra Caravan, ordnet ihn das Bauchgefühl fast zwei Klassen höher ein. Durch die klaren Linien wird jede Protzigkeit geschickt vermieden, aber auch jede Bärchenhaftigkeit ist dem Grandland fern, barockes Chrom sowieso.
Klare Linien, Stattlichkeit ohne Protz, dezente Sportlichkeit, war da nicht was? Ja, da war was. In den späten 1970er-Jahren verkörperte der Rekord E, das davon abgeleitete Oberklassemodell Senator A und der dazwischen positionierte Commodore C genau diese Werte. Der Pseudo-Amerikanismus der vorangegangenen KAD-Serien (Kapitän, Admiral, Diplomat) war überwunden. Perfekt verarbeitet, mit guten Fahrleistungen und ebenso guter Ausstattung waren die neuen Modelle tolle Autos und erste Wahl für alle, denen damals ein Mercedes zu protzig, ein BMW zu aggressiv und nicht-deutsche Autos zu unzuverlässig waren.
Leider passierte in den darauffolgenden Jahrzehnten viele Dinge, über die ich jetzt nicht mehr schreiben will, da sie ohnehin bekannt sind. Wichtiger ist die Frage: Ist Opel wieder dort, wo die Marke damals war? Vermittelt der Grandland wieder die Werte des Senators, wird Opel also quasi wieder “in den Senat gewählt”?

Gebaut wird der Grandland übrigens in Eisenach. Der Vorgänger wurde ja anfangs in Sochaux gefertigt. Eisenach, ein Schicksalsort der deutschen Geschichte, ist einer der traditionsreichsten deutschen Automobilproduktionsstandorte. 1898 lief dort der erste Wartburg vom Band, später wurde Eisenach die Wiege der Automobilproduktion von BMW. In der DDR-Zeit wurde der Name Wartburg wiederbelebt und in einem anfänglichen Mutanfall mit der “Camping-Limousine” 311/5 ausgerechnet in einem kommunistischem Land der erste europäische Lifestyle-Kombi produziert. 1990 übernahm Opel. 6 Monate und 5 Tage wurden sogar Wartburg 353 und Opel Vectra parallel vom Band.

Für eine Fahrt zur Wartburg war das Wochenende leider zu kurz, aber auch im Burgenland gibt es schöne Burgen. Dafür hat die von mir besuchte Burg Schlaining gegenüber der Wartburg einen riesigen Vorteil, nämlich eine Ladestation direkt am Burggraben.


Werfen wir aber erst einmal einen Blick ins Innere. Auch hier dominieren klare Linien. Die Bildschirme sind groß genug und gut lesbar, ebenso das Head-Up-Display. Hier fühlt man sich noch in einem Auto und nicht in einer Mischung aus Alarmzentrale und Gaming-Jugendzimmer. Die Materialien sind edel und überraschend vielfältig, Klavierlack- und Synthetiklederorgien überlasst Opel heute der fernöstlichen Konkurrenz, so wie sie es damals mit Kunstleder und Chrom gemacht haben.

Die Rückbank bietet auch Erwachsenen ausreichend Platz. Die größte Überraschung ist jedoch der Kofferraum. 550 Liter sind eine ordentliche Ansage, ein Traum für alle Familien und dem platzsparenden Frontantrieb zu verdanken.


Die abendliche Fahrt ins Burgenland erwies sich als sehr angenehm. Die Instrumente sind gut beleuchtet, das Licht ist perfekt und der Spurhalteassistent einer der präzisesten und angenehmsten, die ich bislang er-fahren habe.
Bei der abendlichen Rast an der Hundertwasser-Raststätte kam mir die Frage: Was hätte Friedensreich Hundertwasser mehr entsetzt? Die klaren Linien des Opel oder die Tatsache, dass in “seiner” Raststation an der Südautobahn mittlerweile eine amerikanische Fast-Food-Kette beheimatet ist?
Der Herr Senator wäre vielleicht von Burger & Nuggets auch nicht so begeistert gewesen. Dafür aber seine Kinder und eines kann ich schon vor dem Thema Finanzen sagen: Der Grandland taugt auch als Familienkutsche.
Ein besonderer Hit für die Kinder ist natürlich das optionale große Glasdach, dessen vorderes Drittel sogar als Schiebedach ausgeführt ist.

Für die Bergstraßen in der für die nicht-einheimischen überraschend hügeligen Gegend an der Grenze zwischen Mittel- und Südburgenland war der Grandland mit seinen 157 kW (213 PS) ausreichend motorisiert. Klar ist der 2,1 Tonnen schwere Fronttriebler damit weder Kurvenkönig noch Bergmeister und auch nicht Rekordsprinter. Für derartige Titel gibt es aber bei Stellantis erstens genug andere Modelle und zweitens wollen das weder Senatoren, noch Familienmütter und -väter und schon gar nicht jene, die mit dem Grandland im Wald unterwegs sind. 345 Nm Drehmoment sind dafür durchaus angemessen.
Auf Allradantrieb muss vorläufig noch verzichten, dieser wird wohl zuerst in der erst letzte Woche präsentierten Plattformschwester Jeep Compass erhältlich sein. Die soll dann – ähnlich wie beim DS No. 8 – in Kombination mit 2 Elektromotoren mit zusammen über 300 PS kommen.

Und ja, das Fahren mit dem Grandland macht Spaß. So viel Spaß, dass ich am letzten Tag sogar vor Sonnenaufgang aufgestanden bin, um noch ein paar Runden zu drehen. Trotz typischem Fronttriebler-Verhalten fühlt sich das Auto stets sicher an und wenn man sich einmal traut erkennt man, dass es wesentlich wendiger als gedacht ist. Als Mutmacher bietet sich dafür die bei allen Lichtverhältnissen zufriedenstellende Rundum-Kamera an.

Keine Angst braucht man auch vor der Reichweite haben. 528 km sind mehr als genug für Urlaube jeder Länge, zumal der Opel mit bis zu 160 kW an der Ladestation nachladen kann.
Ich habe mich sogar mit den 50 kW von Tanja Stöckls Tankstelle in Mariasdorf begnügt. Die kamen dafür zum Großteil direkt von den Solarzellen auf dem Tankstellendach. Ein kurzer Toilettengang, ein kleiner Kaffee im angeschlossenen Restaurant, ein kurzer Tratsch mit der quirligen und innovativen Inhaberin und ein bisschen Shopping im angeschlossenen Supermarkt und schon war wieder genug Energie für die Heimreise im 73 kW-Akku. Alternativ hätte ich natürlich auch das kostenlose WLAN und die “Handy-Tankstelle” nutzen können.
Opel hat übrigens noch einen 82 kW-Akku im Angebot und plant einen noch größeren und bis zu 750 km Reichweite. Tanja plant währenddessen an einer 150 kW-Ladestation, deren zusätzliche Leistung dann von einer Energiegemeinschaft kommen soll.

Die Heimfahrt kam dann auch viel zu schnell, bot aber noch eine Überraschung. Auch ohne besondere “Öko-Experimente” habe ich den WLTP-Normverbrauch von 16,9 kWh/100 km nicht nur erreicht, sondern sogar unterboten.
Der letzte Blick soll wie gewohnt und angekündigt wieder den Finanzen gelten und damit erfolgt auch die endgültige Beantwortung der Frage nach der Familientauglichkeit.
Der von mir getestete Grandland mit 213 PS und “kleinem” Akku kostet derzeit in Österreich in der Basisausstattung 48,999 Euro. Ja, richtig gelesen. Damit ist er gerade einmal 650 Euro teurer als der Plug-In-Hybrid mit 195 PS. Mittelklassekombis europäischer Hersteller, egal ob VW Passat, BMW 3er touring, Audi A5 Avant oder Mercedes C-Klasse, sind in Österreich selbst als Basisbenziner mit ca. 150-170 PS nicht billiger.
Deutsche Wertarbeit in Kombination mit innovativer Technik und das alles zum China-Preis? Mit französischer Hilfe ist es möglich!

Verabschieden wir uns nun vom Grandland und kommen zum
Fazit:
Opel hat es tatsächlich geschafft. Mit dem neuen Grandland hat man den alten und wie es scheint ewig gültigen Werten neues Leben eingehaucht. Hohe Qualität, gutes Platzangebot, klares Design, umfangreiche Ausstattung und diskrete Sportlichkeit: Was einst Rekord, Commodore und Senator verkörperten, ist heute im Grandland zu finden, gepaart mit innovativer, umweltfreundlicher Technologie. Das sehr gute Platzangebot und das hervorragende Preis-Leistungs-Verhältnis machen ihn auch für Familien zu einer interessanten Alternative – auch zum klassischen Mittelklassekombi.
Opel wird also nicht nur wieder in den Senat gewählt, sondern auch gleich in den Elternvereinsvorstand! Herzliche Gratulation!

Letzte Bitte:
Wenn Sie an meinen Worten, an der Qualität von Opel oder an der Elektromobilität zweifeln: Bitte überwinden Sie sich und befolgen Sie die Aufforderung auf der Heckscheibe der Testwagen! Das Autohaus Teuschl und alle anderen Opel-Händler werden Ihnen gerne helfen, die Zweifel zu überwinden!