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Politiker streiten über das “Verbrennerverbot”, hier fährt es!

11.10.2025

Egal, ob das “Verbrennerverbot” kommt oder nicht, die Zukunft der Mobilität wird woanders entschieden werden – und der Markt wird es regeln.

Fotos © Renault Communications

Die KW41 des Jahres 2025 wird möglicherweise als Woche der endgültigen Weichenstellung in die Automobilgeschichte eingehen. Der deutsche Kanzler lud die Automobilhersteller und Zulieferer zu einem Autogipfel. Die Politik möchte E-Mobilität fördern, aber auch gleichzeitig das verhasste “Verbrennerverbot” aufzuweichen. Warum ich das unter Anführungszeichen schreibe, sollte klar sein: Verboten soll ja nur die Neuzulassung werden, bis dahin angemeldete Verbrenner dürfen ja weiterhin gefahren werden.

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Nun ist jedoch in derselben Woche noch etwas Anderes geschehen. Dacia hat das “Hipster Concept” präsentiert. Ein 3 Meter langes elektrisches Wägelchen, vier Sitze, E-Motor, einfache, aber robuste Konstruktion. Zugelassen soll es in L-Klassen werden (also praktisch als “Quad”), entweder mit 45 km/h oder mit 90 km/h Höchstgeschwindigkeit. Bei ersterem darf es dann in der EU je nach Land bereits mit 16, 15 oder gar 14 Jahren gefahren werden. Viel weiter möchte ich mich über das Auto gar nicht auslassen, auch das Design lasse ich außen vor. Mehr zum Hipster Concept finden Sie hier!

Gleich vorweg: Ich will Ihnen dieses Auto nicht anpreisen. Ich will Sie nicht dazu bekehren, es statt Ihrem SUV oder Mittelklassekombi zu fahren. Ich will Sie auch nicht davon überzeugen, es Ihrem Kind anstelle eines “Gatschhupfers” (Enduro-Moped mit max. 45 km/h) oder Motorrollers zu kaufen. 

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Es ist nämlich…

  • völlig egal, ob es Ihnen gefällt.
  • völlig egal, ob Sie ein schnelleres Auto brauchen oder nicht. (Mir wäre es auch zu langsam.)
  • völlig egal, ob Sie es Ihrem Kind an Stelle eines Mopeds kaufen. (Es braucht trotzdem mehr Platz als ein Moped.)

Dieses Auto – und ähnliche, die vor allem bei chinesischen Herstellern in der Pipeline stehen – werden nämlich meiner Meinung nach dafür sorgen, dass 2035 fast niemand mehr einen Verbrenner kaufen will.

Dann wird es wie von liberalen bis konservativen Politikern gefordert, nämlich der Markt regeln und dann ist es nämlich…

  • völlig egal, ob die Europäer nun dieses E-Auto oder ein anderes kaufen.
  • völlig egal, ob es nun ein “Verbrennerverbot” gibt oder nicht.
  • völlig egal, was welcher Politiker fordert – und sorry,
  • völlig egal, ob Sie einen lauten Motor brauchen, um sich stark zu fühlen.
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Der Hipster soll in Europa unter 10.000,- Euro kosten. 10 Jahre Lebensdauer sind für moderne Akkus überhaupt kein Problem. Außer den Reifen wird es nicht viel Verschleiß geben. Mit lokaler Produktion, zumindest im CKD-Verfahren, wird es meiner Einschätzung nach möglich sein, dieses Auto in den Ländern Afrikas zum Leasing oder zur Langzeitmiete um die 100 Euro im Monat anzubieten. Möglicherweise sogar inklusive Strom.

Dieser lässt sich nämlich selbst in Ländern mit instabilen Netzen auch gut vor Ort produzieren. Ein kleines Solarfeld, dazu ein Container mit Batteriespeichern (eventuell aus “unseren” alten E-Auto-Akkus) und fertig. Was bei einem niederösterreichischen Renault- und Dacia-Händler bereits prächtig funktioniert, wird im bekanntlich sonnenreicheren Afrika noch weniger ein Problem sein. Dann müssen auch nur einmalig ein paar Sattelschlepper das Material hinbringen (was sie natürlich bei einer Tankstelle auch müssten) und das war’s dann für die nächsten 10-20 Jahre.

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Ja, nett für Afrika, aber was hat das mit uns zu tun? Afrika ist ja nun wirklich nicht der Kontinent, der sich durch großartig viele Neuwagenverkäufe auszeichnet. Am meisten werden ja in Südafrika verkauft und Südafrika ist ja bekanntlich ziemlich europäisch und dort wird so ein Hipster auf genauso viel oder wenig Interesse stoßen wie bei uns.

Eine Auswirkung auf uns kann natürlich sein, dass die Preise für Gebrauchtakkus, die ihr “Second Life” in Afrika leben dürfen, steigen werden. Was bei uns nicht mehr gebraucht wird, entweder weil das Auto durch einen Unfall einen irreparablen Karosserieschaden hat oder weil der Akku nur noch 80% oder vielleicht sogar nur noch 70% der ursprünglichen Kapazität hat, kann als Zwischenspeicher noch jahrelang wertvolle Dienste leisten.

Was aber meiner Einschätzung nach noch krasser sein wird, ist die Auswirkung auf die Gebrauchtwagenpreise der Verbrenner. Wenn von Deutschland aus fast so viele Altautos nach Afrika gehen wie im Inland verschrottet werden (2022 war das Verhältnis 2:3, wer möchte kann hier alle Daten durchstöbern), dann wird das massive Auswirkungen auf unsere Gebrauchtpreise haben.

Die afrikanischen Regierungen haben zusätzlich noch Interesse daran, dass weniger Devisen für Öl – und natürlich auch für Schrottautos – in andere Kontinente wandern. So hat beispielsweise Äthiopien als erstes Land der Welt bereits 2024 ein Verbrennerimportverbot erlassen. Aber auch andere Länder wollen nicht mehr zum Schrottplatz Europas werden. Dazu kann Afrika immer mehr und noch dazu saubere Energie selbst erzeugen, auch wenn manche Mega-Projekte wie der “Grand Ethiopian Renaissance Dam” durchaus umstritten sind. Natürlich gibt es in Afrika auch Ölvorkommen, nur da haben halt europäische und US-Konzerne noch in der Kolonialzeit dafür gesorgt, dass den Einheimischen vereinfacht gesagt “mehr Umweltprobleme als Devisen” bleiben.

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Die Afrikaner werden also die Wahl haben, ob sie sich über ein seriöses Bankinstitut (oder direkt bei den Herstellern) ein neues Leicht-E-Auto, dessen Reparaturen zumindest in den nächsten 10 Jahren überschaubar sein werden, leasen bzw. mieten oder ob sie sich irgendwie irgendwo Geld leihen oder mühsam zusammensparen müssen für ein über 20 Jahre altes Verbrennerauto mit unberechenbaren Reparatur- und Sicherheitsrisiken. So ihnen die Regierung letzteres überhaupt erlaubt, wird dennoch ersteres die vernünftigere Wahl und bereits mittelfristig günstigere Wahl sein.

Wenn nun einer von zwei möglichen letzten Stufen eines Verbrenner-Lebenszyklus’ in Deutschland wegbricht, wird das zur Folge haben, dass fahruntüchtige Fahrzeuge teuer verschrottet werden müssen. Da die Verwerter auch nur begrenzte Kapazität haben, werden die Kosten für fachgerechte Entsorgung steigen. Wer ein altes, aber noch fahrtüchtiges Auto kauft, muss damit rechnen, in ein paar Jahren nicht mehr wie bisher ein paar Hunderter oder sogar Tausender von einem Exporteur zu bekommen, sondern stattdessen ein paar Hunderter für die Entsorgung zahlen zu müssen. Entsprechend wird er nicht mehr bereit sein, so viel für das alte Auto zu bezahlen. In weiterer Folge werden auch die Preise der neueren Verbrenner “nachrutschen”, also nach unten fallen. Möglicherweise passiert das sogar noch in diesem Jahrzehnt.

Daraus ergeben sich dann die weiteren Folgen: Verluste für die Leasingbanken oder hohe Nachzahlungen durch die Leasingkunden. Dann werden natürlich die Banken die Leasingraten erhöhen. Diese werden schon bald über jenen der E-Autos liegen. Bei manchen Fahrzeugen bzw. bei manchen Nutzungsszenarien wie extrem hohen jährlichen Kilometerleistungen könnten sie Finanzierungen sogar verweigern.

Dann kann es durchaus passieren, dass wir zwar vielleicht nach 2035 doch noch Verbrenner neu zulassen dürfen, diese aber bereits Jahre vorher nicht mehr finanziert bekommen, vor allem nicht zu leistbaren Konditionen.

Ich kann natürlich die Zukunft nicht vorhersagen, aber halte ein derartiges Szenario für absolut realistisch. Und es ist wohlgemerkt ein Szenario, das keine linke Öko-Spinnerei darstellt, sondern (mit Ausnahme möglicher Verbrenner-Verbote in weiteren afrikanischen Ländern, die aber die Entwicklung nur beschleunigen und nicht verändern würden) rein den Prinzipien der freien Marktwirtschaft folgt.

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